Ganz egal wie sehr sich die Welt auch bemüht. Sie ist letztlich doch nicht so verschieden wie sie immer tut. In den Büros des grossen Hollywood geht es nicht anders zu und her, als hinter den Fleischtheken des heimischen Detailhändlers. An beiden Orten werden alte Produkte, beziehungsweise Geschichten hervorgekramt, kurz neu angestrichen und im überarbeiteten Gewand als frisch verkauft. Die Kulturindustrie steht der Charcuterie in nichts nach.
Das Neuverpacken von altem Stoff nennt man im Filmbusiness ein Remake. Und Remakes hängen am Film wie die Doppel-Null an James Bond. Es scheint nicht genügend Ideen auf dem Markt zu geben, um ein Jahr ohne Neuauflagen oder Interpretationen zu füllen. Als wäre die besten Stoffe, diejenigen, die unter der dicken Staubschicht kaum mehr zu erkennen sind. Märchen zum Beispiel, die sich durch die Generationen gewühlt und bewährt haben. Ein Genre, das von den Produzenten gerade wiederentdeckt wird. Anfang des Jahres zog ein Mädchen mit vollen Lippen durch den Wald, ihr goldenes Haar bedeckte sie mit einer roten Kapuze und ein Wolf spielte auch eine gewisse Rolle. Rotkäppchen im Wischiwaschi-Twillight-Stil war kaum auszuhalten.
Nun wird die freie Neuinterpretation von Märchen jedoch im Frühjahr 2012 auf eine groteske Spitze getrieben. Als wären April und Mai die grimmschen Monate, kommt innerhalb von nur wenigen Wochen gleich zweimal Schneewittchen auf die grosse Leinwand. Warum zum Teufel sollte man sich eine Geschichte, die man sowieso schon in und auswendig kennt, in so kurzer Zeit zweimal in verschiedenen Fassungen anschauen? Liebe Film- und Marketingtypen, da kommt in dieser Richung jahrelang kaum etwas und dann zweimal die gleiche Geschichte in knapp zwei Monaten? Bietet das Jahr keinen Platz für eine kleine Verschnaufpause von bösen Königinnen und schwarzem Wellenhaar? Ach, kommt schon.
Aber um fair zu bleiben, individuell betrachtet, kann man sich durchaus freuen. Die Trailer versprechen spassige Unterhaltung und hübsche Bilder. Lassen wir zuerst Julia Roberts in den Spiegel schauen. Sehen wird sie eine bitterböse Königin im Romantic-Comedy-Gewand. Eigentlich ja ganz nett: «Mirror Mirror».
In welchem Stil könnte man die Geschichte noch erzählen? Wie wäre es mit einem epischen Schwert-auf-Schild-Fantasy-Abenteuer in Herr-der-Ringe-Optik? Kein Problem, hier kommt «Snow White and the Huntsman». Kristen Stewart und Charlize Theron im Kampf Gut gegen Böse. Sieht optisch gewaltig aus und das obligatorische und äusserst atmosphärische «Mirror, mirror on the wall» (als würde mans sonst nicht erkennen) von Theron schürt bei mir grosse Erwartungen. Könnte aber auch Trailer-Blenderei sein, die überdrehten Kitsch à la «Alice im Wunderland» verdeckt.